----------- ROHLFING . THIELE . JÜRGENS ---------

RAe Prof. Dr. Rohlfing pp.

Bayerisches Verwaltungsgericht
München
Bayerstraße 30
80335 München

Az: Mxxxx./. Ldhauptst. München la/sch
15.06.2004

In der Verwaltungsstreitsache
Mxxxx ./. Landeshauptstadt München
Rae Prof. Dr. Rohlfing pp.- M 16 SE 04.2831 –

Zeigen wir unter Hinweis auf die in der Anlage beigefügte Originalvollmacht an, dass uns die Antragstellerin mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt hat.
Namens und in Vollmacht der Antragstellerin beziehen wir uns auf den zur Niederschrift gegebenen Antrag vom 21.05.2004, den wir wie folgt näher begründen sollen.

I.
Zunächst einmal verweisen wir auf das als Anlage A 1 beigefügte Schreiben an die Antragsgegnerin vom 04.06.2004. Innerhalb der gesetzten Frist (17.06.2004) erfolgte durch die als Anlage A 2 Beigefügte E-Mail Rückantwort.

II.
Im Übrigen ist der Bescheid der Antragsgegnerin in Bezug auf die Anordnung des Sofortvollzugs aber auch rechtswidrig.
Die gerichtliche Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs setzt zunächst eine Abwägung des Interesses der Antragstellerseite, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung seiner Rechtsmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das zumeist öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. In der Regel fällt eine solche Abwägung zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren zu erkennen ist, dass sein Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben sollte,
vgl. BVerfG, NVwZ 1982, 241; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdziff. 858.
Hingegen überwiegt das Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist. Lässt sich die Rechtmäßigkeit der Maßnahme bei der im Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung jedoch nicht hinreichend sicher beurteilen, kommt es auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an,
vgl. BVerfG, NJW 2002, 225; Nds. OVG, Beschluss vom 15.04.2003 – 8 ME 96/03 -; Nds. OVG, Beschluss vom 26.09.2002 – 8 MA 18/02 -; Finkelnburg/Jahnk, vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdziff. 864.
Nach hiesigem Dafürhalten liegt ein Fall der letztgenannten Art hier vor, weil die angefochtenen Bescheide bei summarischer Überprüfung weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig angesehen werden können. Denn:
Nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 HPG bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ohne Bestellung als Arzt ausüben will. Nach § 1 Abs. 2 HP ist Ausübung der Heilkunde i. S. dieses Gesetzes jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leider oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von Anderen ausgeübt wird. Dabei sind nur solche Tätigkeiten relevant, die nach allgemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, da der Begriff „Ausübung der Heilkunde“ im Hinblick auf die mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einschränkend auszulegen ist,
vgl. BverwGE 94, 269.
Darüber hinaus erfasst § 1 Abs. 2 HPG Verrichtungen, die für sich gesehen keine ärztlichen Fachkenntnisse voraussetzen, aber Gesundheitsgefährdungen mittelbar dadurch zur Folge haben können, dass ein frühzeitiges Erkennen ernster Leiden, welches ärztliches Fachwissen voraussetzt, verzögert wird, sofern die Gefahr solcher Gefährdungen nicht nur geringfügig ist,

vgl. BverfG, DVBl. 2000, 1765; BverwGE 94, 269.

Eine derartige mittelbare Gefahr besteht z. B. dann, wenn sie in Rede stehende Heilbehandlung als eine die ärztliche Berufsausübung ersetzende Tätigkeit erscheint.
Dass die Synergetik-Therapie oder aber das Synergetik-Profiling gemessen an diesen Kriterien als eine Ausübung von Heilkunde i. S. der vorgenannten Vorschriften anzusehen ist und daher nicht ohne Erlaubnis durchgeführt werden darf, ist bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht offensichtlich.
Zunächst lässt sich bei summarischer Prüfung nicht hinreichend sicher feststellen, dass die Ausübung der Synergetik-Therapie oder des Synergetik-Profiling deshalb Heilkunde darstellt, weil sie nach allgemeiner Auffassung medizinische Kenntnisse voraussetzt. Selbst dann, wen man einmal auf der Basis des Bescheides davon ausgehen sollte, dass der Antragsgegnerin alle für die Beurteilung der Synergetik-Therapie erforderlichen Unterlagen zur Beurteilung vorgelegen haben sollten, wird antragstellerseitig entschieden bestritten, dass während einer synergetischen Innenweltreise eine Suggestion oder aber eine Hypnose angewandt wird.
Folglich ist bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung keineswegs offensichtlich, dass die Ausübung der Synergetik-Therapie oder das Synergetik-Profiling schon deshalb als Heilkunde anzusetzen ist, weil sie nach allgemeiner Auffassung medizinische Fachkenntnisse voraussetzt.

III.
Es ist aber auch nicht offensichtlich, dass eine mehr als geringfügige Gefahr besteht, dass ein frühzeitiges Erkennen ernster Krankheiten, welches ärztliches Fachwissen voraussetzt, bei den Personen, die die Dienste von Synergetik-Therapeuten in Anspruch nehmen, verzögert wird. Eine solche mittelbare Gesundheitsgefahr kann auch nicht mit dem Hinweis auf das Selbstverständnis der Antragstellerin bejaht werden. Selbst dann, wenn die Antragstellerin oder aber die Vertreter dieser Therapie „Hintergrundauflösung“ statt „Bekämpfung“ der Krankheit empfehlen, stehen derartigen Ausführungen der Inhalt der „Informationen zu den Synergetik-Therapie-Einzelsitzungen“ entgegen. Diese vorgenannten Informationen fügen wir alsAnlage A 3
diesem Schriftsatz bei. Danach wird der Klient schon bei der ersten Probesitzung darauf hingewiesen, dass es sich mit einem Arzt seines Vertrauens beraten soll und dass der Therapeut eine Zusammenarbeit mit diesem Arzt begrüßt. Diese Informationen besagen überdies, dass im Zusammenhang mit der Synergetik-Therapie keine Diagnosen oder Therapien im medizinischen Sinne durchgeführt werden; der Klient wisse deshalb, dass ein Synergetik-Therapeut über keine medizinische Qualifikation verfügt. Deshalb entstehe bei ihm auch nicht der Eindruck, durch einen Mediziner bzw. im medizinischen Sinne beraten zu werden. Mit der Therapieberatung werde darüber hinaus keine Entscheidung getroffen, ob und in welchem Umfang eine medizinische oder psycho-therapeutische Versorgung von diesem Klient in Anspruch genommen werden solle oder müsse. Der Klient trage für diese Entscheidung die alleinige Verantwortung. Dementsprechend ist auch hervorzuheben, dass jeder Klient ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass diese Synergetik-Therapie bzw. das Synergetik-Profiling eine ärztliche Behandlung nicht ersetzen kann und daher eine Konsultation eines Arztes in jedem Fall dringend angeraten wird.

IV.
Dies vorausgeschickt kann nach hiesigem Dafürhalten nicht davon ausgegangen werden, dass eine mehr als geringfügige Gefahr besteht, dass ein frühzeitiges Erkennen ernster Krankheiten, welches ärztliches Fachwissen voraussetzt, bei den Personen, die die Dienste von Synergetik-Therapeuten in Anspruch nehmen, verzögert wird. Ob dies nämlich tatsächlich der Fall ist, bedarf einer eingehenden Prüfung im Hauptsacheverfahren, wobei dann nach hiesigem Dafürhalten zu klären sein dürfte, inwieweit die Synergetik-Therapie und das Synergetik-Profiling nach ihrem Erscheinungsbild der ärztlichen Tätigkeit überhaupt noch zu entsprechen in der Lage ist. Denn das Gefährdungspotential, welches allein geeignet ist, die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz auszulösen, wird desto geringer, je weiter sich das Erscheinungsbild des Therapeuten von ärztlicher Behandlung entfernt,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.2004 – 1 BVR 784/03 -.

Dies gilt in besonderem Maß bei schweren Krankheiten; außerdem wird zu berücksichtigen sein, dass die Gefahr, notwendige Hilfe zu versäumen, eher vergrößert wird, wenn die Synergetik-Therapie als Teil der Berufsausübung von Heilpraktikern angesehen wird,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.2004 – 1 BVR 784/03 -.

Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Möglichkeit allein, dass ein gebotener Arztbesuch evtl. unterbleibt, nicht ausreicht, um eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu begründen, weil eine Gefährdung durch die Vernachlässigkeit notwendiger ärztlicher Behandlung niemals mit Sicherheit auszuschließen ist, wenn Kranke außer bei Ärzten bei anderen Menschen Hilfe suchen,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.2004 – 1 BVR 784/03 -.

V.
Angesichts des demnach bestehenden Klärungsbedarfs ist bei summarischer Prüfung keineswegs offensichtlich, dass die Ausübung der Synergetik-Therapie einer Erlaubnis nach § 1 HPG bedarf. Andererseits kann nicht ohne weiters davon ausgegangen werden, dass die Antragsteller diese Tätigkeiten ohne eine derartige Erlaubnis betreiben dürfen. Daher können die Verbote der selbständigen Ausübung der Therapie bzw. des Profiling und die Anordnung, die Schilder aus den Praxisräumen zu entfernen und die Zwangsgeldandrohungen bzw. die übrigen Teile des Bescheides weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig angesehen werden.

VI.
All dies vorausgeschickt, hängt die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein von der Abwägung der gegenläufigen Interessen ab. Diese Interessenabwägung muss nach hiesigem Dafürhalten zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen. Würde der Antragstellerin vorläufiger Rechtschutz gegen den Bescheid des Antragsgegners versagt bleiben, müsste sie ihre Tätigkeit vollständig einstellen. Damit müsste sie bis zur endgültigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides einen Eingriff in ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung hinnehmen. Außerdem entstünden hier nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile, weil sei ihre Praxis vorübergehend nicht weiter betreiben kann.
Das Interesse der Antragsteller, diese Nachteile abzuwenden, geht dem Interesse der Antragsgegnerin an einer sofortigen Untersagung der Tätigkeiten vor.
Im Übrigen ist hervorzuheben, dass auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass konkrete Gefahren für potentielle Patienten entstehen, wenn die Verfügung der Antragsgegnerin vor der endgültigen Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit nicht vollzogen wird. Es sind keine Hinweise dafür ersichtlich, dass die Ausübung schon derartige Gefahren zur Folge gehabt hat. Eine sofortige Vollziehung des angefochtenen Bescheides erscheint daher nicht als dringend erforderlich.

VII.
Für die Anordnung zu Ziff. 2 des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 08.04.2004 in Bezug auf die Internet-Seiten dürfe es ohnehin an der notwendigen Zuständigkeit und der inhaltlichen Bestimmtheit fehlen.
Beglaubigte und einfache Abschrift sind beigefügt.

Prof. Dr. Rohlfing
Rechtsanwalt